Zusammenfassung des Buchkapitels:
Gestörte Quantenwellen: nichtrelativistische Störungstheorie
Wie lässt sich die Quantenelektrodynamik in der Sprache der Pfade ausdrücken?
Es gibt ein sehr nützliches Werkzeug, mit dem sich diese Frage systematisch angehen lässt:
die sogenannte Störungstheorie.
Die Idee dabei ist, dass man Wechselwirkungen schrittweise berücksichtigt.
Hier ein typisches Beispiel aus der nichtrelativistischen Quantenmechanik: ein sogenannter Streuprozess. Es beginnt mit einem Strahl freier Teilchen − sagen wir Elektronen − die wir durch eine nahezu ebene Quantenwelle beschreiben können. Diese geordnete Wellenform wird "gestört", wenn sie beispielsweise auf das elektrische Feld eines Atomkerns trifft. Es entstehen Streuwellen, die das Gebiet des Atomkerns nach allen Seiten hin verlassen. Sie entsprechen Elektronen, die vom Feld des Atomkerns aus ihrer Bahn geworfen wurden.
Problematisch für die Berechnung dieses Prozesses ist der Wechselwirkungsbereich, in dem das elektrische Feld wirkt und die Welle durcheinanderbringt. Das ist nun genau der Bereich, in dem die Störungstheorie ansetzt: Sie beschreibt den Einfluss des Feldes näherungsweise dadurch, dass dieses beim Durchlauf der Welle überall und ständig neue Elementarwellen entstehen lässt, die sich selbst wieder ungestört ausbreiten. Das nennt man die erste Ordnung der Störungstheorie.
Will man es genauer wissen, dann muss man berücksichtigen, dass auch die neu erzeugten Elementarwellen vom Feld beeinflusst werden. Nicht nur die ursprüngliche Welle, sondern auch die neuen Elementarwellen lassen dann überall weitere Elementarwellen entstehen, die sich wiederum ungestört ausbreiten. Das wäre dann die zweite Ordnung der Störungstheorie.
Natürlich lässt sich dieses Spiel immer weiter fortsetzen: Je genauer man sein möchte oder je stärker das störende Feld ist, umso mehr Ordnungen muss man berücksichtigen.
Um den Überblick zu behalten, kann man die Störungstheorie gut durch Raum-Zeit-Diagramme veranschaulichen. Gerade Linien kennzeichnen darin die Ausbreitung einer Elementarwelle von einem Raum-Zeit-Punkt zu einem anderen Raum-Zeit-Punkt. An Knickstellen (Vertices) entstehen neue Elementarwellen. Die Diagramme bis zur zweiten Ordnung sehen dann so aus:
Man kann sich die Linien auch als mögliche Teilchenbahnen vorstellen, und zwar ganz im Sinne von Feynmans Pfadintegralen. Jedes Diagramm stellt mögliche Pfade zwischen Start- und Zielpunkt dar: den Pfad ohne Knick, alle Pfade mit einem Knick, alle Pfade mit zwei Knicks und so fort, wobei die Knickpunkte überall im elektrischen Feld des Atomkerns liegen können. Zu jedem dieser Pfade gehört eine Quantenwelle, die nachher über alle Pfade inklusive aller möglichen Zwischenpunkte aufsummiert wird, um die Gesamt-Quantenwelle am Endpunkt auszurechnen. Der Vorteil der Störungstheorie liegt nun darin, dass man die entsprechenden Pfadamplituden sehr gut ausrechnen kann.
Störungstheorie in der QED: Feynman-Diagramme
Was ändert sich, wenn man zur Quantenelektrodynamik (QED) übergeht, bei der die Spezielle Relativitätstheorie zwingend dazugehört? Feynman widmete sich intensiv dieser Fragestellung und entwickelte entsprechende Raum-Zeit-Diagramme, die als Feynman-Diagramme weithin bekannt und berühmt geworden sind.
Als erstes musste Feynman dafür die klassischen elektromagnetischen Felder durch eine Quantenbeschreibung ersetzen, sodass eine neue Teilchensorte hinzukommt: Feldquanten, die beim Elektromagnetismus Photonen heißen. Die Knickstellen (Vertices) in den Wegen der Elektronen entstehen dann durch den Einfluss eines Photons, das an der Knickstelle emittiert oder absorbiert wird.
In den Diagrammen stellte Feynman die Elementarwelle eines Photons durch eine gewellte Linie dar. Eine Knickstelle (Vertex) sieht also jetzt so aus, dass dort immer eine gewellte Photonlinie abzweigt. Ein Vertex kennzeichnet damit die Stelle, an der die Elementarwelle eines Photons neu entsteht oder absorbiert wird.
Als nächstes musste Feynman herausfinden, wie die Elementarwellen der Elektronen und Photonen genau aussehen. Bei den Photonen erscheint das auf den ersten Blick relativ einfach: Die Elementarwellen sollten sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, denn Photonen sind ja die Quanten des Lichts. Feynmans Berechnungen zeigten jedoch, dass diese Sichtweise nicht ganz zutrifft: Ein kleiner Teil der Elementarwelle ist etwas langsamer, ein anderer Anteil aber auch etwas schneller als Lichtgeschwindigkeit, wobei die Amplitude der Elementarwelle umso kleiner wird, je größer die Abweichung von der Lichtgeschwindigkeit ist.
Bei großen Entfernungen sind die Amplituden, schneller oder langsamer als Lichtgeschwindigkeit zu sein, sehr klein und entgegengesetzt gerichtet, sodass sie sich aufheben. Im subatomaren Bereich müssen wir allerdings die mögliche Abweichung von der Lichtgeschwindigkeit unbedingt berücksichtigen. Die Photonenlinien können im Feynmandiagramm entsprechend unterschiedliche Neigungswinkel aufweisen.
Dasselbe trifft auch auf Elektronen zu! Auch hier haben die entsprechenden Elementarwellen einen kleinen Anteil oberhalb der Lichtgeschwindigkeit. Das ist besonders zwischen zwei Vertices wichtig – hier kann die Linie im Diagramm auch sehr flach verlaufen, also schneller als mit Lichtgeschwindigkeit, so wie hier in Diagramm (c):
Für solche Verticeswie in Diagramm (c), deren räumlicher Abstand sich nur mit Überlichtgeschwindigkeit überbrücken lässt,
macht die Spezielle Relativitätstheorie eine erstaunliche Aussage:
Ihre zeitliche Reihenfolge lässt sich umdrehen, wenn man sie aus der Sicht
eines Beobachters betrachtet, der sich hinreichend schnell in die richtige Richtung bewegt (Diagramm (d) ).
Da nun alle Beobachter, die sich gleichförmig gegeneinander bewegen, nach Einstein vollkommen
gleichberechtigt sind, gibt es keine absolut verbindliche zeitliche Reihenfolge der beiden Vertices.
Der Beobachter, der Diagramm (d) als korrekt betrachtet, sieht allerdings etwas Merkwürdiges: Für die Wegstrecke zwischen den beiden Vertices scheint das Elektron sich zeitlich rückwärts zu bewegen. Nur was soll das bedeuten? Ist so etwas überhaupt erlaubt?
Zurück in die Zukunft
Schon früher haben wir gesehen, dass es durchaus sinnvoll sein kann, auch die umgekehrte Zeitrichtung zuzulassen. Genau das hatten Feynman und Wheeler getan, als sie sich Gedanken über avancierte elektromagnetische Felder und Wellen machten, die rückwärts in der Zeit laufen. Die grundlegenden physikalischen Gesetze sind fast alle symmetrisch bezüglich der Zeitrichtung, unterscheiden also nicht zwischen Zukunft und Vergangenheit (bis auf eine seltene Ausnahme, die gewisse Teilchenzerfälle betrifft und die wir hier getrost ignorieren können) – eine Umkehr der Zeitrichtung erscheint also durchaus legitim.
In unseren Diagrammen können wir mithin durchaus Elektronen auch rückwärts in der Zeit laufen lassen. Allerdings stellt sich dann die Frage, was das für einen makroskopischen Beobachter bedeutet, dessen Zeitrichtung immer von der Vergangenheit in die Zukunft gerichtet ist. Was sieht er?
Warum es Antiteilchen gibt
Einen Hinweis liefert die Ladungserhaltung: Ein makroskopische Beobachter betrachtet den zeitlichen Ablauf immer streng in wachsender Zeitrichtung, also im Diagramm von unten nach oben. Er sieht in Diagramm (d) zunächst, wie sich ein Elektron von links und ein Photon von rechts aufeinander zubewegen. Vor dem Zusammentreffen verschwindet das elektrisch neutrale Photon plötzlich und erzeugt zwei Teilchenlinien, die weiter nach oben laufen. Die Linie rechts mit dem Pfeil nach oben ist ein weiteres negativ geladenes Elektron. Also muss nach der Ladungserhaltung die flache Linie in der Mitte mit dem Pfeil nach unten − das in der Zeit zurücklaufende Elektron – ein positiv geladenes Teilchen sein, wenn wir es in der normalen Zeitrichtung betrachten. Da es ansonsten einem Elektron gleicht, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein Anti-Elektron – also ein Positron – handelt. Elektronen, die sich rückwärts in der Zeit bewegen, erscheinen also als Positronen, wenn wir sie in der normalen Zeitrichtung betrachten (mehr dazu in den Zusatzinfos unten). Beim nächsten Vertex oben links vernichten sich dann das Positron und das von links kommende ursprüngliche Elektron gegenseitig und ein Photon entsteht.
Materie und Antimaterie – der kleine Unterschied
Auch in unseren Feynman-Diagrammen können Elektronen und Positronen immer nur paarweise entstehen. Trotzdem gibt es heute in unserem Universum fast ausschließlich Elektronen und praktisch keine Positronen. Die Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie kann also in der Realität nicht ganz so perfekt sein, wie sie die Diagramme andeuten. Die QED alleine kann das nicht erklären − hier braucht man weitergehende Theorien, und selbst heute ist diese Frage noch nicht endgültig geklärt.
Antiteilchen lösen das Problem der negativen Energien
Die Idee, dass Elektronen rückwärts in der Zeit laufen können, hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Sie löst das Problem mit den negativen Energien, ohne dass dafür ein gefüllter Dirac-See erforderlich ist. Anstatt zu fordern, dass alle negativen Energiezustände besetzt sind, fordert man, dass die negativen Energiezustände genau diejenigen sind, die sich rückwärts in der Zeit bewegen, während sich die positiven Energiezustände wie gewohnt vorwärts in der Zeit bewegen. Ein Elektron, das sich rückwärts in der Zeit bewegt, hat also eine negative Energie.
Die Folge ist: Sobald das Energiekonto eines Elektrons ins Negative rutscht, wird es unserem Zugriff für die weitere Zukunft entzogen, indem es seine Reise in die Vergangenheit antritt. Wir können also nur ein einziges Mal den Energie-Dispokredit nutzen – danach verschwindet das Elektron mit seinem Energiekonto im Nebel der Vergangenheit.
Dort könnte nun jemand genau denselben Energiebetrag auf das Energiekonto einzahlen, den wir später daraus entnehmen. Er gleicht damit in der Vergangenheit die Energie-Schulden aus, die wir heute machen. Betrachten wir diesen Vorgang in der normalen Zeitrichtung, so sehen wir folgendes: Jemand zahlt in der Vergangenheit einen Energiebetrag auf das Energiekonto ein, den wir heute wieder entnehmen. Es ist genau so, als wäre in der Vergangenheit ein Energie-Guthaben auf das Konto eingezahlt worden, das wir heute wieder abheben. Energie-Schulden, die in die Vergangenheit reisen, wirken also genauso wie ein Energie-Guthaben, das in der normalen Zeitrichtung voranschreitet. Ein Elektron, das mit negativer Energie in die Vergangenheit reist, entspricht damit in der normalen Zeitrichtung einem Positron mit positiver Energie.
Feynman erhielt mit dieser Idee in seinen Rechnungen auf relativ einfache Weise dieselben Resultate wie andere Leute, die mit Löchern im Dirac-See jonglierten, was sehr viel komplizierter war.
Gib Stückelberg seine Notizen zurück!
Feynman und Wheeler waren übrigens nicht die einzigen, die auf diese Idee gekommen waren. Der Schweizer Mathematiker und Physiker Ernst Carl Gerlach Stückelberg hatte sie bereits im Jahr 1941vorgeschlagen, wobei Feynman dies wohl damals noch nicht wusste. Auch manch andere Idee zur QED nahm Stückelberg vorweg. Manche sagen sogar, Stückelberg sei seiner Zeit um Jahre voraus gewesen. Da er seine Arbeiten allerdings in eher unbekannten Journalen veröffentlichte und sie nur wenig propagierte, blieben sie weitgehend unbeachtet und wurden lange unterschätzt.
Feynmans Trickkiste
Mit seinen Raum-Zeit-Diagrammen hatte Feynman ein effektives Werkzeug an der Hand, um die Probleme der QED anzugehen. Die Linien und Vertices der Elektronen und Photonen vermittelten eine anschauliche Vorstellung von den physikalischen Prozessen und lieferten zugleich eine Rechenvorschrift, wie die einzelnen Quantenamplituden multipliziert und addiert werden mussten, um die Gesamtamplitude für den Prozess zu ermitteln.
Was jetzt noch fehlte, war eine echte Herausforderung für Feynmans Methode, bei der sie ihre Schlagkraft unter Beweis stellen konnte. Man brauchte ein experimentelles Resultat, das sich mit der Dirac-Gleichung alleine nicht erklären ließ. Und Feynman hatte Glück: Mit der Messung der sogenannten Lamb-Shift sowie der Bestimmung des anomalen magnetischen Moments des Elektrons sollten sich gleich zwei solche Ergebnisse einstellen, die dringend auf eine theoretische Erklärung warteten. Das war die Chance, auf die Feynman und viele andere Theoretiker gewartet hatten.
a) Wheelers Geistesblitz: Wenn Elektronen in die Vergangenheit reisen
Feynman berichtet in seinem Nobelpreisvortrag, wie ihn sein Doktorvater John Archibald Wheeler eines Tages aufgeregt in Princeton anrief und ihm von einer interessanten Idee erzählte, die Feynman später in anderer Form in seine Formulierung der QED übernahm:
"... I received a telephone call one day at the graduate college at Princeton from Professor Wheeler, in which he said, "Feynman, I know why all electrons have the same charge and the same mass" "Why?" "Because, they are all the same electron!" And, then he explained on the telephone, "suppose that the world lines which we were ordinarily considering before in time and space – instead of only going up in time were a tremendous knot, and then, when we cut through the knot, by the plane corresponding to a fixed time, we would see many, many world lines and that would represent many electrons, except for one thing. If in one section this is an ordinary electron world line, in the section in which it reversed itself and is coming back from the future we have the wrong sign to the proper time – to the proper four velocities – and that's equivalent to changing the sign of the charge, and, therefore, that part of a path would act like a positron."
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Wheeler glaubte also zu wissen, warum alle Elektronen in der Welt dieselbe Ladung und Masse
haben: Weil es immer dasselbe Elektron sei!
Ein einziges Elektron könnte in der Zeit vor und zurück geworfen werden, sodass
es mal in die Zukunft reist, dann wieder in die Vergangenheit.
Sein Weg durch Raum und Zeit (seine Weltlinie oder englisch world line)
wäre dann wie eine Zick-Zack-Linie oder wie ein riesiges Knäuel.
Zu einer festen Zeit würden wir also immer wieder dasselbe Elektron sehen,
mal aus der Vergangenheit kommend, mal aus der Zukunft.
Dabei würde seine inner Uhr (seine sogenannte Eigenzeit oder englisch proper time)
entlang der Zick-Zack-Weltline immer weiter fortschreiten.
In den Bereichen der Weltlinie, in denen es aus der Zukunft kommt und rückwärts in der Zeit reist, würde seine innere Uhr nach Wheelers Idee also gegen die äußere Zeit laufen – seine Eigenzeit hätte relativ zur äußeren Zeit ein negatives Vorzeichen ("we have the wrong sign to the proper time"; in der Grafik ist die Richtung anwachsender Eigenzeit durch Pfeile dargestellt). Das würde bedeuten, dass auch die sogenannte Vierergeschwindigkeit (proper four velocity) sich umdreht und ihr Vorzeichen wechselt, und das sei gleichbedeutend damit, dass die Ladung des Elektrons ihr Vorzeichen wechselt. In den Bereichen, in denen das negativ geladene Elektron rückwärts in der Zeit fliegt, würde es sich also wie ein positiv geladenes Positron verhalten (das vorwärts in der Zeit fliegt).
Wie kam Wheeler auf diese Idee?
Um das zu verstehen, müssen wir einen Abstecher in die
Spezielle Relativitätstheorie machen.
Das Bild eines Elektrons, das in der Zeit zurück reist, macht nämlich erst dort
wirklich Sinn. Nur in der Relativitätstheorie können wir
verschiedene Zeitbegriffe voneinander unterscheiden.
Eine innere Uhr, die das Elektron mit sich führt und die dessen Eigenzeit
Der äußere Beobachter sieht zu jeder Zeit
In der Relativitätstheorie bietet es sich an, neben den drei räumlichen Koordinaten
auch die Zeit mit hinzuzunehmen und alle vier Größen zu einem einzigen Objekt zusammenzufassen,
das man auch Vierervektor nennt. Damit alle vier Größen die Dimension einer Länge
haben, multipliziert man die Zeit
Raum-Zeit-Vierervektor:
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Der zeitlichen Koordinate
Wenn der äußere Beobachter zu jeder Zeit
Wir können nun in der Raum-Zeit-Grafik zusätzlich an jedem Raum-Zeit-Punkt
Mathematisch bedeutet das, dass wir die Eigenzeit
Vierergeschwindigkeit:
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Damit haben wir schon fast alle Zutaten zusammen, um die Bewegung des Elektrons in einem äußeren elektromagnetischen Feld relativistisch zu beschreiben. Was noch fehlt ist ein geeignetes Objekt, das auch dieses elektromagnetische Feld umfasst.
Dazu bildet man aus den drei Komponenten des elektrischen Feldvektors
Wie der Feldstärketensor mit den Komponenten des elektrischen und magnetischen Feldes zusammenhängt, kann man beispielsweise auf Wikipedia: Elektromagnetischer Feldstärketensor nachlesen:
elektromagnetischer Feldstärketensor:
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Jetzt sind wir soweit, um die Bewegungsgleichung eines Elektrons mit Masse m und Ladung q in relativistischer Schreibweise darzustellen. Diese Bewegungsgleichung, die die Lorentzkraft auf das Elektron widerspiegelt, lautet:
kovariante Bewegungsgleichung:
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Dabei haben wir rechts die Indices der Vierergeschwindigkeit
Dass diese Bewegungsgleichung tatsächlich die bekannte Lorentzkraft in anderer Schreibweise darstellt, schauen wir uns unten noch genauer an. Die obige Schreibweise hat den Vorteil, dass sich die einzelnen Größen sehr einfach zwischen verschiedenen Beobachtern umrechnen lassen, was wir uns hier nicht genauer ansehen wollen. Das liegt daran, dass wir die Vierergeschwindigkeit und den 4-mal-4-Feldstärketensor als Basis für die Gleichung verwendet haben. Man bezeichnet eine solche Formulierungsweise auch als kovariant. Bei der gewohnten räumlichen Vektorschreibweise (siehe unten) ist die Umrechnung zwischen verschiedenen Beobachtern dagegen viel umständlicher.
Nun sind wir soweit, um Wheelers Überlegung zu Elektronen zu verstehen, die rückwärts in der Zeit reisen. Wiederholen wir noch einmal Feynmans Worte von oben, mit denen er diese Idee beschreibt:
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In den Bereichen der Weltlinie, in denen sich das
Elektron rückwärts durch die Zeit bewegt,
sieht der äußere Beobachter die innere Uhr des Elektrons also rückwärts laufen,
während auf seiner eigenen Uhr die Zeit vorwärts läuft.
Die Eigenzeit (engl.: proper time)
Wenn ein Elektron rückwärts statt vorwärts in der Zeit reist, so
wechselt auch die zugehörige Vierergeschwindigkeit
Auf der rechten Seite der Bewegungsgleichung
Die linke Seite
Falls Ihnen diese Argumentation noch etwas windig vorkommt, wollen wir sie noch etwas konkreter
und mathematischer fassen. Dazu setzen wir
Schauen wir uns also einen Bereich der Weltlinie
Um das herauszufinden, ersetzen wir
in der Bewegungsgleichung
überall
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Man kann schnell in Verwirrung geraten, wenn man über Elektronen nachdenkt, die rückwärts in der Zeit reisen. Man könnte beispielsweise intuitiv zunächst vermutet, dass wir die Zeit dafür generell in umgekehrter Richtung ablaufen lassen müssen, die physikalische Bewegung des Elektrons also umkehren müssen. Das ist aber gar nicht gemeint!
Es geht vielmehr um folgendes: Die physikalische Bewegung des Teilchens (ob nun Elektron oder Positron) ist durch seine Weltlinie in der Raumzeit komplett festgelegt, denn diese Weltlinie sagt aus, wann der äußere Beobachter das Teilchen wo antrifft. Die Kurve, die das Teilchen in der Raumzeit beschreibt, ist also alles, was man braucht.
Man kann nun die Weltlinie auf verschiedene Weise parametrisieren.
Dazu hatten wir einen Kurvenparameter
Physikalisch ändert sich durch diese Umparametrisierung der Weltlinie die Bewegung des Teilchens nicht.
Es ist ja immer noch dieselbe Weltlinie, d.h. das Teilchen befindet sich für den äußeren Beobachter
immer noch zu den verschiedenen Zeitpunkten t an denselben Orten
Die Weltlinie hatten wir nun durch eine Differentialgleichung
Dabei haben wir festgestellt: Wenn wir die Richtung umdrehen,
mit der wir die Weltlinie bei wachsender Eigenzeit durchlaufen,
wenn wir also von der Parametrisierung
Die Weltlinie eines Positrons, das der äußere Beobachter sieht, können wir in diesem Sinne auf zwei verschiedene Weisen interpretieren und durch die Differentialgleichung mathematisch beschreiben: Entweder wie üblich als Positron, dessen Eigenzeit bei wachsender äußerer Zeit anwächst, oder aber als Elektron, dessen Eigenzeit bei wachsender äußerer Zeit schrumpft und das sich in diesem Sinne rückwärts in der Zeit bewegt. In beiden Fällen ist es dieselbe Weltlinie und damit dieselbe physikalische Bewegung, nur die Interpretation und zugehörige mathematische Beschreibung durch die Differentialgleichung ist unterschiedlich.
Umformulierung in die dreidimensionalen Bewegungsgleichungen
Noch etwas deutlicher wird die Argumentation, wenn wir die kovariante
Bewegungsgleichung
Man sieht hier sehr schön, dass die Vierergeschwindigkeit
Wir wollen den Term
Wir fordern: Wenn das Teilchen im Bezugssystem des äußeren Beobachters ruht und demnach
die Geschwindigkeit
Anders ausgedrückt: Wenn
Was folgt daraus für
Hier hilft eine Erkenntnis aus der Relativitätstheorie weiter, die folgendes besagt:
Wenn man von einem unbeschleunigten Beobachter zu einem anderen unbeschleunigten Beobachter
wechselt, so ändert sich im allgemeinen zwar die Vierergeschwindigkeit
Es gibt jedoch eine Größe, die für alle unbeschleunigten Beobachter immer gleich groß ist:
Die Differenz aus dem Quadrat der Null-Komponente
Für einen Beobachter, der ein ruhendes Teilchen sieht, ist
Lorentzfaktor:
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Insgesamt haben wir also für den Zusammenhang zwischen den (infinitesimalen) Zeitintervallen der äußeren Zeit und der Eigenzeit den folgenden Zusammenhang:
äußere Zeit und Eigenzeit:
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Der Lorentzfaktor
Oder kurz: eine bewegte Uhr läuft für den äußeren Beobachtes langsamer als dessen eigene Uhr. Das kann man durchaus messen und es spiegelt sich auch beispielsweise in der Lebensdauer instabiler Teilchen wider: Ein schnelles Myon zerfällt im Mittel langsamer als ein ruhendes Myon.
Was man nicht messen kann, ist die Richtung der Eigenzeit relativ zur äußeren Zeit,
also das Vorzeichen
Mit
Vierergeschwindigkeit:
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Bis auf das relative Vorzeichen bezüglich der Richtung zwischen Eigenzeit und äußerer Zeit
kommt die Eigenzeit hier gar nicht mehr vor.
Das ist genau das, was wir brauchen, um die relativistische Bewegungsgleichung der Weltlinie
in die gewohnte Form ohne Eigenzeit umzuformen.
Wir starten also mit unserer Bewegungsgleichung
Eigentlich ist diese Bewegungsgleichung eine Ansammlung von vier Gleichungen – eine für
jeden Wert von
Die Gleichung für
Nun können wir
Wir dividieren bei beiden Gleichungen
beide Seiten noch durch
Wenn wir in beiden Gleichungen noch das Vorzeichen
Energieerhaltung und Bewegungsgleichung:
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Das sind genau die Bewegungsgleichungen für ein relativistisches Teilchen
der Ladung
Das Vorzeichen
© Jörg Resag, www.joerg-resag.de
last modified on 16 February 2025